17.09.20

Der goldene (Un-)Ruhestand: So bleiben Silver Worker bei Laune

In den kommenden Jahren werden sich Unternehmen verstärkt mit dem Thema „Renteneintritt“ auseinandersetzen müssen. Die Frage ist: Wie lässt sich dieser bestmöglich vorbereiten? Und zwar so, dass beide Seiten profitieren?

Der Renteneintritt der Babyboomer steht bevor

Wer Mitte der 1950er Jahre bis Ende der 1960er Jahre geboren wurde, teilt die Erfahrung, in einer großen Gemeinschaft aufgewachsen zu sein. Egal ob im Kindergarten, in der Schule, während der Ausbildung, in der Universität oder im Beruf – überall sahen sich die Angehörigen dieser überdurchschnittlich geburtenstarken Jahrgänge in Konkurrenz zu vielen anderen. Im Jahr 1964 erreichte der Babyboom mit 1,36 Millionen Neugeburten seinen Höhepunkt.

In den kommenden Jahren verlassen genau diese Babyboomer den Arbeitsmarkt und hinterlassen eine enorme Lücke. Schon im Jahr 2025 werden nach einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Prognos für die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) 2,9 Millionen Fachkräfte am deutschen Arbeitsmarkt fehlen. Im Jahr 2031 wird die Lücke bereits bei 3,6 Millionen liegen.

Im Jahr 2025 werden dem deutschen Arbeitsmarkt 2,9 Millionen Fachkräfte fehlen.

Renteneintritte vermeiden – eine gute Lösung

Jedenfalls ist das der Fall, wenn Unternehmen weiterhin agieren, wie sie agieren. Denn, was den Renteneintritt älterer Mitarbeiter angeht, läuft gerade so einiges schief. Viele ältere Arbeitnehmer wollen nämlich gar nicht unbedingt in Rente gehen. Aufgrund einer besseren medizinischen Versorgung als noch vor 50 Jahren sind viele bis ins hohe Alter fit und haben auch große Lust, ihre jahrzehntelang gesammelte Erfahrung weiterhin in die Arbeitswelt einzubringen.

Daher beobachtet das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in der Altersgruppe der 55- bis 70-Jährigen einen Trend zum Unruhestand. Viele arbeiten noch nach dem eigentlichen Renteneintritt weiter. Dafür gibt es verschiedene Gründe:

  • Spaß an der Arbeit (95 Prozent)
  • Die Suche nach sozialen Kontakten und geistigen Herausforderungen (jeweils 90 Prozent)
  • Der Wunsch, Geld zu verdienen (73 Prozent)

Beschäftigungsmodelle für Silver Worker: Erwerbstätigkeit in Vollzeit muss nicht sein

Trotz aller Agilität sind die so genannten Silver Worker nicht so belastbar wie die jüngeren Arbeitsgenerationen. Dafür sind sie aufgrund ihres enormen Erfahrungsschatzes häufig effizienter und nicht so karriere-getrieben wie die jüngeren Kollegen. Lediglich sechs Prozent der Befragten wollen im Ruhestand noch einer Erwerbstätigkeit in Vollzeit nachgehen.

Über 70 Prozent der aktiven Silver Worker arbeiten noch rund 15 Stunden in der Woche.

Daher bieten sich Teilzeitmodelle an, um die Silver Worker bei Laune und am Arbeitsplatz zu halten.

Wäre genau das häufiger der Fall, würde das die bevorstehende Fachkräftelücke nicht schließen, aber doch abmildern. Dafür müssten Arbeitgeber – und vor allem auch der Gesetzgeber! – allerdings die richtigen Beschäftigungsmodelle für Mitarbeiter im Rentenalter schaffen.

Infrage kämen zum Beispiel:  

  • Verschiedene Teilzeitmodelle, zwischen denen gewechselt werden kann
  • Jobsharing
  • Flexible Arbeitszeiten
  • Home-Office-Angebote
  • Lebensarbeitszeitkonten oder Überstundenkonten
  • Angebot von Sabbatical- und Pflegezeit-Angeboten – sprich: grundsätzlich Beschäftigungsmodelle, die typische Wünsche im Alter berücksichtigen

Der Vorteil: Dank einer höheren Flexibilität könnten Ältere ihr Arbeitspensum der eigenen Tagesform anpassen. Sie könnten dem Beruf auch spontan von zuhause nachgehen oder ihr Tagewerk früher beenden. Die nicht verrichteten Stunden würden einfach von ihrem Lebensarbeitszeitkonto oder ihrem Überstundenkonto abgezogen. Solche Zeitkonten hätten auch den Vorteil, dass über das „Ansparen und Abbuchen“ von Arbeitszeit Urlaube oder andere Auszeiten relativ flexibel verlängert werden könnten.

Mit diesen Angeboten könnten es Arbeitgeber ihren silbernen High Potentials schmackhaft machen, länger im Unternehmen zu bleiben und den Renteneintritt ein paar Jahre nach hinten zu schieben.

Vorteile eines verzögerten Renteneintritts

Damit ließe sich nicht nur die bevorstehende Fachkräftelücke abmildern; auch tiefgreifendes Wissen und langjährige Erfahrungswerte verließen das Unternehmen nicht von einem Tag auf den anderen. Wer weiß, ob zum Zeitpunkt des Renteneintritts schon eine geeignete Fachkraft in den Startlöchern steht, um vollumfänglich eingearbeitet zu werden und möglichst viel vom Know-how abzuschöpfen? Vor allem fände kein kompletter Generationenwechsel statt, sobald die Babyboomer den Betrieb verlassen. Auch das könnte Unternehmen nämlich gehörig in Schieflage bringen.

Bedenkt man, dass ältere High Potentials häufig Führungs- und Leitungspositionen bekleiden, müsste bald in vielen Unternehmen auf einen Schlag die komplette Führungsriege ersetzt werden. Und das gegen Mitarbeiter, die über deutlich geringere Erfahrungswerte verfügen. Können essentielle Managementpositionen nicht effizient nachbesetzt werden, wirkt sich das schnell existenzbedrohend aus.

Laut des KfW-Mittelstandspanels wird die Spitze des Generationenwechsels in den Jahren 2023 bis 2027 erreicht werden: In diesem Zeitraum werden sich knapp 11 Prozent der Unternehmensinhaber bzw. Selbstständigen aus dem Geschäftsleben zurückziehen.

Die nächsten 7 Jahren bilden die Spitze des Generationenwechsels.

Wichtige Schlüsselpersonen scheiden aus der Arbeitswelt

Und in einer weiteren Hinsicht wäre ein zu abrupter Generationenwechsel gefährlich. Immerhin verschwinden wichtige Schlüsselpersonen aus der Arbeitswelt, die jüngeren Generationen bislang als Mentor, Berater, Vertrauensperson, Wissensträger und Vorbild beiseite standen. Es wird also an Rollenvorbildern fehlen, an denen sich die nachfolgenden Generationen X,Y und Z orientieren können. Fatal! Denn Vorbilder beflügeln uns, ihrem Beispiel zu folgen, motivieren und inspirieren zu weiterführenden Leistungen oder helfen, Ziele im Auge zu behalten und zu erreichen.

Es spricht also vieles dafür, Silver Worker länger im Job zu halten. Der Gesetzgeber legt hier übrigens keine Steine in den Weg. Wer über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus arbeiten will, darf das auch.

Für arbeitende Senioren ändert sich nur arbeitsrechtlich etwas. Sie haben nach wie vor Anspruch auf Urlaub oder Entgeltfortzahlung, wenn sie krank werden. Auch gilt für sie das Kündigungsschutzgesetz, wenn dieses in ihrem Betrieb oder Unternehmen greift. Senioren müssen allerdings nicht mehr in die Arbeitslosenversicherung einzahlen. Das ist alles.

Fazit: Schicken deine Silver Worker in den Unruhestand!

Sorge so früh wie möglich für eine durchdachte Nachfolgeplanung und entwickeln Sie Strategien, wie Du deine Silver Worker bei Laune halten kannst. Die Fachkräftelücke wird sich massiv zuspitzen und es gilt, Lösungen zu finden, wie Du Wissen im Unternehmen bündelst, für eine Wissensweitergabe sorgen und auch grundsätzlich dafür sorgen, dass genug Wissensträger vorhanden sind, damit der Betrieb regulär weitergehen kann.

Dafür wird ein Umdenken stattfinden müssen – denn die Rentner von heute sind fit, motiviert und die Lösung vieler Probleme, die sich abzeichnen. Zeige daher Wertschätzung und schaffe Anreize, die Erwerbstätigkeit noch ein wenig (oder auch ein wenig mehr) zu verlängern. Dann steht einem wohl geordneten Unruhestand nichts mehr im Wege.